Meine Geschichte beginnt wie ein Märchen mit „Es war einmal…“ Es ist aber kein Märchen sondern eine Geschichte, die sich so oder so ähnlich wirklich zugetragen hat.
Es war einmal ein kleiner Hundewelpe. Einen richtigen Namen hatter er noch nicht, aber seine Mama nannte ihn liebevoll "mein kleiner Angel". Er war der kleinste und schwächste im Wurf und lag seiner Mama ganz besonders am Herzen. Sie achtete auf ihn wie auf ihren Augapfel und beschütze ihn vor allem, was dem kleinen Angel Angst machte. Die Welpen wuchsen heran und als sie groß genug waren, dass sie allein fressen konnten, passierte es.
Normalerweise sollten alle Welpen in gute Hände vermittelt werden. Nur leider hat der Besitzer der Hündin, die die Welpen geworfen hat, im Suff eine Wette verloren. Es hätte auch jeden anderen Welpen aus dem Wurf treffen können. Aber nein, es traf ausgerechnet den kleinen völlig verängstigten Angel. Alle hatten gemerkt, dass heute etwas anders war, irgendwas lag in der Luft. Angel verkroch sich in einer Ecke, seine Mama legte sich schützend vor ihn. Und doch, obwohl er sich ganz starr gemacht und nicht bewegt hat, griff die große kräftige Hand nach ihm und zog ihn aus dem Verschlag. Er wimmerte und schrie nach seiner Mama, aber es half nichts. Man steckte ihn in eine dunkle Box, stellte diese in den Kofferraum eines Autos. Die Kofferraumklappe schlug laut zu, es war dunkel und roch muffig. Angel kam es vor wie eine Ewigkeit bis sie den Hof erreichten, an dessen Bauern der Besitzer seine Wette verloren hatte. Der Besitzer übergab dem Bauern die Box und schlurfte mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf zu seinem Auto, um die Rückfahrt anzutreten.
Der Bauer kippte Angel aus der Box auf den harten Boden. Er plumpste in den Dreck, es war kalt und er war wie erstarrt vor Angst. Sein schönes flauschiges Fell wurde nass und dreckig. Als der Bauer weg war, sah Angel sich um. Es war kein schöner Hof. Eingezäunt, es gab kaum einen Flecken Gras, alles war alt, marode, brüchig und matschig, oder mit Beton ausgegossen, der uneben war und über die vielen Jahre etliche Risse bekommen hat. Es stank nach Dreck und Alkohol. Der Hof gehörte einem kinderlosen Ehepaar. Es lebten bereits mehrere Katzen und Hühner auf dem Hof. Angel rappelte sich auf und kroch in die nächste Ecke. Es gab keine Hütte oder einen Unterstand, wo er sich etwas vor dem Wetter schützen konnte. Dann fing es an zu schneien.
Dunkelheit umgab ihn, die Schneeflocken tanzten um ihn herum und bald bedeckte der Schnee seinen ganzen kleinen Körper. Angel fing vor Kälte an zu zittern. Da kamen die Katzen zu ihm, die ihn schon eine Weile beobachtet hatten. Sie legten sich um ihn herum und versuchten ihn zu wärmen und vor der Kälte zu schützen. Ein alter Kater erzählte, dass heute Weihnachten sei. Angel hatte natürlich noch nie etwas von Weihnachten gehört und fragte den Kater: „Du lieber Kater, was ist denn Weihnachten?“ Der Kater antwortete: „Weihnachten mein kleiner Freund ist das Fest der Liebe. In der heiligen Nacht ist das Christuskind geboren. Es ist eine ganz besondere Nacht, denn so wie wir Dich gerade wärmen und damit Dein Leben retten, wurde auch das Jesuskind von Tieren gewärmt, damit es nicht erfriert. Dieser Nacht wohnt ein ganz besonderer Zauber inne. Es heißt, dass in dieser Nacht Wunder geschehen können, wenn man nur fest genug daran glaubt.“ Angel schloss die Augen und dachte an seine Mama und an seine Geschwister und wünschte sich nichts sehnlicher als bei ihnen zu sein. Er vermisste sie doch so schrecklich. Leise weinend schlief er ein.
Als er am Morgen wieder aufwachte, war er immer noch auf diesem schrecklichen Hof. Wahrscheinlich stimmte die Geschichte von Weihnachten gar nicht, die der Kater erzählt hat. Denn wenn es Weihnachten wirklich gäbe, dann müsste er doch jetzt bei seiner Mama und seinen Geschwistern sein. Er hat es sich doch so sehnlich gewünscht, noch sehnlicher geht es nicht.
Die Jahre vergingen. Angel war inzwischen neun Jahre alt. Er weiß nicht, wie er die Zeit auf dem Hof überstanden hatte. Er war sehr abgemagert, sein Fell war struppig, seine Krallen zu lang, er hustete ständig. Das Ehepaar stritt sehr oft und es lag immer ein Hauch von Aggressivität in der Luft. Diese wurde auch sehr oft an den Tieren ausgelassen. Sie bekamen kaum etwas zu fressen oder frisches Wasser. Um jedes Stück Brot mussten sie betteln.
Dann eines Tages, es war wieder an Weihnachten, das Ehepaar hatte wieder mächtig gestritten und der Bauer hatte viel zu viel getrunken, wankte er, ein Messer in der Hand, auf Angel zu. Angel versuchte sich zu verstecken, doch es half nichts. Der Bauer packte ihn, hob sein Messer und schnitt ihm die Rute ab. Angel schrie wie am Spieß, das machte den Bauern noch wütender. Erneut nahm er das Messer und stach ihm damit in sein rechtes Auge und versuchte das rechte Ohr abzuschneiden, was ihm Gott sei Dank nicht gelang. Er ließ von Angel ab, ließ ihn blutend im Schnee liegen und wankte von dannen.
Angel erinnerte sich an die Worte des alten Katers, dass sich in der heiligen Nacht Wünsche erfüllen, wenn man nur ganz fest daran glaubt. Und so wünschte er sich, dass er überleben und den Hof verlassen würde. Dies geschah am darauffolgenden Tag. Der Bauer kam und schaute nach Angel. Als er sah, dass er noch lebte, legte er ihn auf den Hänger seines Treckers und brachte ihn in das Haus ohne Namen. Dort war alles ganz schlimm, laut und dreckig und so viele Hunde und viel zu wenig Nahrung für alle. Angel wünschte sich ganz weit weg, irgendwo hin, wo die Sonne scheint, wo es warm ist und er immer genug zu essen hat. Er wünschte sich eine Familie, die ihn aufnimmt, auch wenn er jetzt ein Krüppel ist, die ihn liebt, streichelt und wo er seine letzten Monate oder Jahre, die ihm noch bleiben, in Liebe und Frieden leben kann. Wo er die Welt noch einmal neu entdecken kann.
Und das Wunder geschah. Menschen, die mit dem Herzen sehen können, sind auf ihn aufmerksam geworden und haben eine Familie für ihn gesucht und auch gefunden. Der kleine Angel hat nun einen Namen und heißt Kolumbus, nach dem gleichnamigen Weltentdecker, und er lebt jetzt bei Menschen, die ihn über alles lieben, für ihn sorgen und ihn streicheln. Und eine Schwester hat er bekommen, die auf ihn aufpasst und ihm die Hunde-Welt erklärt – nämlich mich - Fräulein Wolke.
Es stimmt also doch. Dieser heiligen Nacht wohnt ein ganz besonderer Zauber inne. In dieser Nacht können kleine und große Wunder geschehen, wenn man nur fest genug daran glaubt….
Eure Wolke
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